Aus der Westtiroler Zeitung: „Der Vinschger„,
Ausgabe: Nr. 23(245) – 04. Dezember 2003
Menschen: Horst Eberhöfer
“I pinn fan Bazillus Wilderus befolln”
Horst Eberhöfer, 35 Jahre alt [Dezember 2003], Malermeister in Prad am Stilfserjoch:
„Ein Mann soll ein Haus bauen, einen Sohn zeugen, einen Baum pflanzen und ein Buch schreiben“.
Nach diesem chinesischen Sprichwort hat Horst sein bisheriges Leben ausgerichtet.
„Bis vor zehn Johr pinn i dr greascht Wilderer im Nationalpark gweesn“, das behauptet Horst Eberhöfer und bricht damit öffentlich ein Tabu.
Er hat dazu ein Buch geschrieben und nimmt sich darin kein Blatt vor den Mund. Gemessen an der Anzahl der erlegten Tiere könnte er laut eigenen Angaben bereits 150 Jahre lang Jäger gewesen sein.
Er spricht vom „Bazillus Wilderus“, einem unheilbaren Urtrieb, der ihm wohl angeboren sei. Die unbändige Leidenschaft könne nur der verstehen, der sie in sich trägt.
“ I pinn fan Bazillus Wilderus befolln”, sagte er. Dieser “Bazillus” wurde in ihm als Kind geweckt, als er den Vater, der Revierleiter in Prad war, auf den Reviergängen begleitete. Damals war die Jagd im Nationalpark noch erlaubt. Die Warnungen des Vaters, ja nie zu wildern, schlug Horst schon bald in den Wind. Sein erstes Gewehr kaufte er sich als Vierzehnjähriger in der Schweiz und schmuggelte es über die Grenze. Kurz darauf schoss er in der Abenddämmerung eines Frühsommertages seinen ersten Rehbock.
Die Treffsicherheit hatte er schon als Bub beim Spatzenschießen eingeübt. Beim “Aufbrechen” des Tieres half ihm ein Freund, dessen Vater das Fleisch für die Kühltruhe abnahm. Daheim durfte niemand etwas wissen.
Bereits zwei Monate später erlegte Horst den nächsten Bock. Seine “Wildererkarriere” begann. Es ging nicht so sehr um das Fleisch, als vielmehr um die Befriedigung des Jagdtriebes, wobei er stets darauf achtete, dass das Wild nie unnötig leiden musste. Wichtig waren ihm natürlich auch die Trophäen, von denen er immer geträumt hatte. Schon bald fand er Zugang zu gleichgesinnten älteren “Vorbildern”,die ihn in ihrem “durchsichtigen Verein” aufnahmen.
Mit Sechzehn wurde er dann zusammen mit zwei bereits volljährigen Kollegen erstmals von den Ordnungshütern erwischt. Horsts Vater erfuhr vom Treiben seines Sohnes und war bitter enttäuscht. Das hinderte diesen aber keineswegs daran, munter weiter zu wildern, während die Kumpanen noch in der Zelle saßen. Irgendwann erschien es ihm doch als sinnvoll, aus der Illegalität herauszutreten und bei der Jagdprüfung anzutreten.
Mit achtzehn Jahren war er jüngster Jäger Südtirols.
Er hatte aber kein Revier, da das Jagen im Nationalpark inzwischen verboten worden war. Es blieb ihm also nichts anderes übrig als weiter zu wildern. Als er neunzehn war, schnappte erneut die Falle zu. Er machte erstmals für zwei Tage Bekanntschaft mit der “Via Dante”, in Bozen. Im Gefängnis fühlte er sich wie lebendig begraben. Er fürchtete sich vor den Mitgefangenen, unter denen sich auch Mörder befanden. Noch heute bekommt er Gänsehaut, wenn er an die Zelle mit den vergitterten Fenstern in drei Metern Höhe und an die Kloschüssel in der Ecke denkt.
Einzig das Essen war gut. Es gab zweimal am Tag “pasta asciutta”, zehn Semmel und Wasser. Wieder in Freiheit begann für ihn ein Katz und Maus-Spiel mit Aufsehern und Carabinieri. Er setzte alles daran, schlauer zu sein als sie und versuchte sie zu überlisten.
Insgeheim wünschte er sich nichts sehnlicher als ein Jagdrevier außerhalb des Nationalparkes. Der Zufall und die Liebe kamen ihm dabei zu Hilfe. Er lernte ein Mädchen aus Rifair kennen, das später seine Frau wurde und ihm die Tür zum Revier in Taufers öffnete. Doch bevor er dort jagdberechtigt war, erwischten ihn die Gesetzeshüter erneut.
Geschickt konnte er damals seiner hochschwangeren Frau die eine Nacht im Gefängnis verheimlichen. Schon kurz darauf ging es um Leben und Tod. Vermummt und mit dem Gewehr in der Hand pirschte sich Horst zusammen mit einem Komplizen eine Forststraße entlang. Dass sie dabei beobachtet wurden, merkten sie erst, als ihnen die Kugeln um die Köpfe flogen.