Presse: Vinschger 2004

Aus der Westtiroler Zeitung: „Der Vinschger„,
Ausgabe: Nr. 3(250) – 12. Februar 2004 :

Interview mit dem einstigen Wilderer Horst Eberhöfer

Interview: Magdalena Dietl Sapelza

Horst_Eberhoefer_Thematik

 

Der Giftpilz im Nationalpark

Der 35-jährige Prader hat fast die Hälfte seines Lebens als Wilderer verbracht. Er kennt das illegale Treiben und die Hintergründe. Mit seinem Buch „Der Wilderer im Nationalpark“ hat er sich zu seiner “Wilderer-Karriere” bekannt, ein Tabu gebrochen und heftige Diskussionen ausgelöst.

Vinschger:
Ihr Buch hat viel Staub aufgewirbelt. Die Themen Nationalpark und Jagd wurden zu Inhalten für leidenschaftliche Diskussionen in Medienkreisen und an Gasthaustischen. Haben sie das beabsichtigt?
Eberhöfer:
Ja, ich wollte, dass etwas in Bewegung kommt und die Missstände im Park aufgezeigt werden. Und dabei geht es mir nicht nur um die Jagd. Vor allem wollte ich Feuer unter den Hintern der „Sesselwärmer“ in den Nationalparkgremien machen.
Vinschger:
Ist ihnen das gelungen?
Eberhöfer:
Ich habe das Gefühl, die Nationalparkverantwortlichen befinden sich in einem Dauerschlaf, aus dem sie nicht geweckt werden wollen.
Vinschger:
Von der Buchvorstellung im Nationalparkhaus “aqua prad” haben sich die Nationalparkverantwortlichen Josef Hofer und Wolfgang Platter öffentlich distanziert. War die Wahl dieses Ortes eine bewusst inszenierte Provokation Ihrerseits?
Eberhöfer:
Wildern gehört zum Alltag im Nationalpark. Deshalb war das Nationalparkhaus für mich auch der richtig Ort, um über das Thema zu sprechen. Leider sind die ersehnten Diskussionspartner aus hiesigen Nationalparkkreisen nicht erschienen. Dass sich über 500 Leute eingefunden hatten, überraschte mich und bestätigte mir, dass ich den Nerv getroffen hatte. Im Übrigen: In Prads Gemeindestube kannte man den Inhalt des Buches.
Vinschger:
Sie „schießen“ scharf gegen die Nationalpark-Verantwortlichen. Sind Sie ein Gegner des Nationalparks?
Eberhöfer:
Nein, keineswegs. Natur- und Umweltschutz liegen mir sehr am Herzen. Doch viele der Nationalparkleute sind meiner Meinung nach überhaupt nicht fachkompetent und müssten ausgewechselt werden. Sie kassieren zwar viel Geld, doch nichts rührt sich vom Fleck. Sie schauen zu, wie der Park ruiniert und von Wilderern leergeschossen wird. Rückendeckung haben sie von politischer Seite her genug.
Vinschger:
Sie wissen, dass eine herkömmliche Jagd mit dem Nationalpark-Gedanken nicht vereinbar ist?
Eberhöfer:
Ja, ich habe mich mit der Thematik befasst. Regeln und Gesetze sollten der Sache dienen.
Wenn es augenscheinlich ist, dass alles zerstört wird, müssten sie geändert werden. Man kann nicht alle Nationalparks über einen Kamm scheren. Die Schutzbestimmungen sollen auf die verschiedenen Bedürfnisse der Nationalparks zugeschnitten sein und sie nicht zugrunde richten. Ich stehe zum Nationalpark, das möchte ich klarstellen, vorausgesetzt er verdient sich die Bezeichnung Nationalpark. Doch dem ist hier leider nicht so. Das behaupte nicht nur ich, sondern das sagen auch international anerkannte Fachleute.
Der Gesamtzustand des Nationalparks Stlfserjoch ist schlichtweg gesagt katastrophal.
Vinschger:
Eine harte Analyse.
Eberhöfer:
Was ist das für ein Nationalpark, in dem ungehindert Straßen und Aufstiegslagen gebaut werden können? Man darf alles tun, nur nicht regulär auf die Jagd gehen. Ein Irrsinn! Deshalb wird gewildert. Und was da so alles abläuft, geht auf keine Kuhhaut. Ich behaupte: Wenn sich im Park nichts ändert, ist er innerhalb weniger Jahre leergeschossen.
Vinschger:
Sie haben ja selbst dazu beigetragen.
Eberhöfer:
Ja, mir ist auch nichts anders übrig geblieben, um auf die Jagd gehen zu können, das wird im Buch auch deutlich. Ich betone noch einmal: Ich will mit meinem Buch aufzeigen, dass es im Park schon bald kein Wild mehr geben könnte, wenn nichts passiert. Ich kenne die Szene und ich habe recherchiert. Im Gebiet von Laas bis Lichtenberg sind die Gämsen schon fast ausgerottet. Und dem Rotwild könnte es schon bald genauso ergehen. Ich habe zusammen mit Wilderern, die unter anderem Jäger sind, Nachforschungen angestellt und bin auf eine Zahl von 400 Stück gewildertem Rotwild im Nationalpark jährlich gekommen.
Vinschger:
Wenn das stimmt, könnte die regelmäßig getätigte Wildentnahme schon bald überflüssig sein. Sind diesbezügliche Zahlen in Nationalparkkreisen auch bekannt?
Eberhöfer:
Ich bezweifle, ob sich die Führungsriege überhaupt dafür interessiert. Wenn es so weiter geht wie bisher, gibt es im Nationalpark bald nichts mehr zu entnehmen. Heuer konnte die vorgegebene Anzahl an Tieren beispielsweise nicht mehr erreicht werden, weil die Wilderei zunimmt.
Aus Jägern der Nationalparkgemeinden sind mittlerweile Entnahmespezialisten geworden, die ihren Jagdtrieb bei den jährlichen Abschüssen ausleben können.
Vinschger:
Wenn Sie sagen, die Wilderei nehme dennoch zu, dann lässt das den Schluss zu, dass den Jägern diese Einbindung nicht genügt und sie weiter wildern. Sind Wilderer nach wie vor verhinderte Jäger?
Eberhöfer:
Ja, der überwiegende Teil. Ich gebe zu bedenken, dass lediglich die Hälfte der „Nationalpark-Jäger“ als „selecontrollori“ an der Entnahme beteiligt sind, die andere Hälfte wildert weiter. Und übrigens, die Entnahme ist in meinen Augen und auch in den Augen vieler Ausführender ein Gemetzel und keine Jagd. Also eine unbefriedigende Lösung für alle Beteiligten.
Vinschger:
Sie glauben, eine kontrollierte Jagd könnte die Wilderei eindämmen. Was macht sie da so sicher?
Eberhöfer:
Wenn Jäger regulär auf die Jagd gehen können, werden sie gleichzeitig zu Aufsehern. Ein typisches Beispiel liefert Matsch. Seit die Jäger dort ein eigenes Revier haben, ist die Wilderei ausgeblieben.
Vinschger:
Zurück zu Ihrem Buch. Die ersten 3000 Stück verkauften sich wie warme Semmel. Nun gibt es bereits eine Zweitauflage. Also ein Bestseller?
Eberhöfer:
Allerdings, vor allem die Verkaufszahlen kurz nach der Buchvorstellung im Dezember sprechen für sich. Doch leider ist das Buch erst viel zu spät in der Bestsellerliste des „Dolomiten Magazins“ erwähnt worden. Ich frage mich: Hätte ich mich für den Athesia-Verlag entscheiden müssen und nicht für den Provinz-Verlag? Wer nicht auf der richtigen Seite steht, wird in Südtirol oft ignoriert, das ist übrigens auch in der politischen Landschaft so.
Vinschger:
Haben sich führende Politiker bei Ihnen gemeldet?
Eberhöfer:
Leider nein, ich glaube aber, dass viele das Buch gelesen haben. Dem „Oberjäger“ Luis Durnwalder habe ich es zukommen lassen, zusammen mit der Einladung zur Buchvorstellung. Er hat sich dann allerdings raffiniert entschuldigt und schweigt weiter, wie immer in Sachen Nationalparkjagd.
Vinschger:
Sie sind mittlerweile Jäger im Revier in Taufers i. M. Wie kommentieren die dortigen Jagdkollegen und der Landesjagdverband ihr Buch.
Eberhöfer:
Die dortigen Jäger halten sich heraus. “Wir haben ja unser Revier”, sagen sie. Über die Reaktionen von Seiten des Landesjagdverbandes bin ich enttäuscht. Heinrich Aukenthaler hat mir mit einer Klage wegen „Verherrlichung der Wilderei“ gedroht. Dabei müsste er in seinem Amt eigentlich froh sein, dass jemand einen Beitrag leistet, um die Wilderei zu unterbinden. Tatsache ist aber auch, dass er noch nie einen Finger gerührt hat, um die Jäger der Nationalparkgemeinden in andere Reviere einzubinden. Im Übrigen: Von vielen Seiten wurde mir zum Mut gratuliert, das „heiße Eisen“ endlich angefasst und ein Tabu gebrochen zu haben.
Vinschger:
Nach der Veröffentlichung des Buches wurden die Reifen ihres Wagens aufgeschlitzt. Haben Sie eine Ahnung, wer die Täter sein könnten?
Eberhöfer:
Ich glaube schon. Ich vermute, dass es jene Wilderer sind, die in meinem Buch vorkommen. Doch wer mich kennt, weiß, dass ich mich nicht unterkriegen lasse und alles gelassen hinnehme.
Wenn das tatsächlich die Täter wären, dann nehmen sie Ihnen Ihre öffentlichen Bekenntnisse übel.
Vinschger:
Reagieren mehrer ehemalige Wildererkollegen so gereizt?
Eberhöfer:
Nein, ich ernte größteils Zustimmung. Viele knüpfen an die Diskussionen rund um das Buch die Hoffnung, die einstigen Jagdrechte irgendwann doch noch zurückzubekommen. Allerdings bekam ich auch zu hören „Horst, hör auf, wenn im Nationalpark einiges verbessert wird und eine Jagd möglich sein sollte, können wir das Wildern vergessen „. Eine Aussage, die meine Behauptung unterstreicht, dass nur eine reguläre Jagd der Wilderei den Garaus machen kann.